Verhöhnt
als „Dschungel-Express“ und unter Wert geschlagen,
die „Gleichenbergerbahn“
Feldbach – Bad Gleichenberg 1931-2021
Eigentlich hätte es heuer ein
90-Jahr-Jubiläum für die „Lokalbahn Feldbach – Bad Gleichenberg", betrieben
von den Steiermärkischen Landesbahnen, in der Südost-Steiermark geben müssen. Ziemlich
genau eine Handvoll Politiker will die Bahn loswerden und versucht das mit dem
Etiketten-Schwindel „Tourismusbahn“ der Bevölkerung unterzujubeln. An ein
Jubiläum ist gar nicht zu denken, weil Kurzsicht dominiert.
Die
„Gleichenbergerbahn“ ist viel besser als ihr Ruf!
Diese Bahn ist seit 90 Jahren
ihrer Zeit voraus! Sie wurde 1931 sofort als elektrische Nahverkehrsbahn über
21,21 km in eine landschaftlich reizvolle Gegend gebaut und fährt seit damals
umweltfreundlich, weil abgasfrei, klimaneutral zur Zufriedenheit der
steirischen Bevölkerung. Damals war dem Kurort Bad Gleichenberg, der für die
Heilung von Luft- und Atemwegen, bzw. Lungenleiden wirbt, völlig klar, dass das
nicht mit rauchenden Dampflokomotiven und stinkenden Autos geht, die damals
allerdings noch rar waren.
Die
„Gleichenbergerbahn“ von Anfang an mit Elektromobilität
Ab 1904 auf der Stubaitalbahn und
1907-1909, mit der „Roten Elektrischen“ in Salzburg, 1910 mit der Mittenwaldbahn
in Tirol und Bayern bzw. 1911 auf der Mariazellerbahn, zog das Zeitalter der
Elektromobilität in diese Gegenden ein. Dem Weitblick der Verantwortlichen
in Bad Gleichenberg damals ist es zu danken, dass die „Lokalbahn Feldbach - Bad
Gleichenberg“ sofort 1931 von Anfang an mit abgasfreien umweltfreundlichen
elektrischen Gleichstrom-Triebwagen betrieben wurde. Heute träumen so manche
kümmerlich dahin dümpelnden Regionalbahnen von der Elektrifizierung und vom
Aufstieg ins Zeitalter der Dekarbonisierung. In der Südost-Steiermark träumen
fünf Politiker von der Rückkehr in die fossile abgastreibende
Verkehrs-Steinzeit! Man kann das gar nicht wirklich glauben!
Verhöhnung der Bahn und der Bevölkerung als
„Dschungel-Express“
Die „gute, alte
Propaganda“ versucht die Bahn abwertend und herabwürdigend als
„Dschungel-Express“ zu diffamieren. Die Bahn und die Landschaft sind weder ein
Urwald, noch sind die Einwohner „Wilde“ und bekanntlich wurde noch niemand von
Schlangen und Leoparden gefressen! Auch der aufrechte Gang ist dort ortsüblich.
Es herrscht ein Ideen-Reichtum an Propaganda-Namen, eben „Dschungel-Express“
oder eine „kontinentale Route Sixty-Six“, von Amerika abgekupfert, oder an einen
Vulkan erinnernd, der bald ausbricht. Warum erinnert man sich nicht an einen
„Luftkurort“ Bad Gleichenberg an die Schönheiten der Gegend (Straden) und an
einen Vorreiter der Elektromobilität, eben die Gleichenbergerbahn?
Eine „Tourismusbahn“ kostet gleich viel, wie eine
Pendlerbahn, nur gibt es kein Geld dafür!
Da die Bahn in
der Bevölkerung äußerst beliebt ist, was einige nicht hören wollen, trauen sich
die fünf Politiker nicht von der „Einstellung“, „Stilllegung“, „Zerstörung“ oder
gar „Vernichtung“ der Gleichenbergerbahn zu sprechen, weil sie doch nicht
sicher sind, ob das die Bevölkerung bei der nächsten Wahl vielleicht doch nicht
vergessen hat! So wurde der Etiketten-Schwindel „Tourismusbahn“ erfunden und
dabei vergessen, dass es Menschen gibt, die Behauptungen durchaus
nachkontrollieren können. Übrigens ist es völlig unerheblich, ob die Bahn nur
am Wochenende oder, besser, im Stundentakt die ganze Woche fährt. Die Betriebs-
und Instandhaltungskosten sind völlig gleich und niemand spart sich als
„Tourismusbahn“ irgendetwas.
„Bus näher am Ort“ und „Bus billiger als Bahn“ ist
widerlegbar!
So wurde das
billige Vorurteil, der Bus fahre näher zu den Orten, gestreut. Nun der Bus 415,
fährt direkt an der Bahn, aber nur einmal an Schultagen und sonst gar nicht.
Der ist als Alternative unbrauchbar! Der Bus 414 fährt ausschließlich an
Schultagen (rund 200 pro Jahr) und Feiertagen. An allen anderen Tagen fährt,
richtig, „nichts“! Das ist für „Touristen“ ebenfalls unbrauchbar. Die Linie 416
fährt gleich überhaupt woanders. Diese Linie fährt zwar in Feldbach und Bad
Gleichenberg direkt durch den Ort, dann nur auf der ominösen „Route 66“
(Bundesstraße 66) und in einem anderen Tal von Maierdorf, Gnas und Trautmannsdorf.
Ein schlimmes Beispiel ist die Haltestelle „Klausen Abzw. Gossendorf“, die
3,5-4,5 Kilometer vom eigentlichen Ort Gossendorf entfernt liegt. Ob da jemand
tatsächlich zu Fuß geht, müsste man recherieren! Von „Ortsnähe“ kann also
nicht die geringste Rede sein! Die Buslinie 416 ist ebenfalls als Alternative
zur Gleichenbergerbahn unbrauchbar. Damit ist die mediale Behauptung eines
bereits bestehenden Stundentakts absolut widerlegt.
Eine Buslinie
ist grundsätzlich ein Minderheiten-Programm und ein Standard-Linienbus kann
gerade einmal 50 Personen gleichzeitig befördern. Solange niemand auf die Idee
kommt, zu versuchen, in großem Stil Leute vom Pkw auf den öffentlichen Verkehr
bekommen zu wollen, reicht das „Restl-Essen Bus“ bei den genannten
unzureichenden Fahrplänen (Regiobus 414, 415, 416) durchaus. Will man wirklich,
was im Zeichen des Klimaschutzes dringend notwendig ist, Autofahrer in großem
Stil auf den öffentlichen Verkehr bringen, braucht man Beförderungseinheiten,
man könnte das „Transportgefäße“ nennen, die fern von 100 Fahrgästen pro Kurs
transportieren können müssen. Ein gefahrener Kilometer Linienbus kostet, laut
Bundesgremium Kraftfahrlinienverkehr, € 4,20. Ein Kilometer Regionalstadtbahn
(TramTrain), analog Salzburger Lokalbahn u.ä., liegt bei 5,- bis 7,- Euro! In
einen TramTrain-Triebwagen, moderner Provenienz, kann man 150-250 Personen
gleichzeitig befördern. Züge kann man kuppeln und bis zu 600 Personen, bei
gleichen Kosten, befördern. Wollte man 150 Personen mit Bussen befördern, würde
man drei Busse mit 12,60 Euro Betriebskosten benötigen, weil die sprungfixen
Kosten für Personal und Fahrzeuge eben 4,20 x 3 = 12,60 bedeuten, im Vergleich
mit dem Zug von max. 7,-Euro! Dieselbe Rechnung müsste man korrekterweise bei
den drei parallel zur Gleichenbergerbahn fahrenden Buslinien 414, 415 und 416
rechnen. Würde man 600 Personen in Bussen befördern, müsste man 50 Euro pro
Kilometer an Kosten veranschlagen! Das Märchen „Bus billiger als Bahn“ ist
somit absolut widerlegt.
Das Verschwinden aus dem internationalen Bewusstsein
Stellen Sie
sich vor, sie wohnen in Kopenhagen, London oder Rom und wollen bewusst ohne Ihr
Auto nach Gnas oder Bad Gleichenberg öffentlich fahren. Von Montag bis Freitag
können Sie bereits alles vergessen. Lungenleidende sollten lieber nach Arosa
fahren. Dahin fährt die Rhätische Bahn im Stundentakt: https://www.rhb.ch/fileadmin/user_upload/redaktion/Home_Marketing/Service___Souvenirs/Fahrplan/Gedruckte_Fahrplaene2020/930.pdf
An
Samstag und Sonntag, wenn die Gleichenbergerbahn fährt, finden Sie tatsächlich
unter www.raileurope.com die Relation
Hamburg – Gnas und dort können gleich die Fahrkarten gekauft werden. Sie
können auch „Burgfried bei Gnas“ wählen! Wenn Sie Lust auf Frust haben, und
kolossal scheitern wollen, probieren Sie die Fahrplanauskunft für den Bus!
In den internationalen Fahrplänen wird der Bus-Wirr-Warr nämlich nicht
angezeigt!
Die
verantwortlichen Politiker, die die Gleichenbergerbahn loswerden wollen, müssen
sich bewusst sein, dass die Orte und damit die ganze Region aus den
internationalen Kursbüchern und Fahrplan-Abfragen im Internet verschwinden. Das
ist nicht mehr mit dem allergrößten Werbeaufwand und den eigenartigen Tafeln an
der steierischen „Route 66“ aufzuholen. Bad Gleichenberg läuft Gefahr, in der
Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, weil immer mehr umweltbewusste Menschen
auf den Kauf eines eigenen Autos verzichten. Diese Kundengruppe ist ohne die
Bahn endgültig verloren.
Wenn die Bahn verschwindet,
verschwindet auch die Tourismusregion!
47% der Haushalte in der Bundeshauptstadt Wien
haben ganz bewusst kein eigenes Auto mehr, weil der innerstädtische Nahverkehr
eine so große Attraktivität hat, dass man grundlegend kein Auto mehr benötigt.
https://wien.orf.at/stories/3120905/
Weltweit boomt
der Schienenverkehr und dabei auch die innerstädtischen Netze. An der Gleichenbergerbahn
gibt es allen Ernstes diese fünf Politiker, die eine bestehende
umweltfreundliche Elektrischen Bahn eliminieren wollen, die dabei völlig
übersehen, dass sie damit die Mobilität der eigenen Region für die Zukunft
massiv schädigen.
Bundesmittel für „Privatbahnen“
(Nicht Bundeseigene Eisenbahnen, NE-Bahnen)
Obwohl
die „Steiermärkischen Landesbahnen“ StLB zur Gänze im Besitz des Landes
Steiermark sind, gelten sie rechtlich als „Privatbahnen“ und werden nach dem „Privatbahn-Gesetz“
behandelt! In diesem Gesetz ist die Unterstützungsmöglichkeit des Bundes für Infrastruktur-Investitionen
bei den „Privatbahnen“ zu 50% der Kosten verankert. Diese Bundesgelder für
Infrastruktur-Maßnahmen der Privatbahnen sind in Fünfjahres-Blöcken im sog.
MIP, dem „Mittelfristigen Investitionsprogramm“ festgelegt. Notwendig dazu
ist, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) konkrete Projekte, sei es
Instandhaltungsmaßnahmen oder Neubauten, zeitgerecht vor Anlaufen der
Fünf-Jahres-Programme (MIP 2015-2019, MIP 2020-2024, MIP 2025-2029) beim Verkehrsministerium
einreichen müssen. Die anderen 50% müssen allerdings von den Ländern, den
Gemeinden und ggf. von der EU zusätzlich eingebracht werden. Für Tourismusbahnen
gibt es keine Bundesgelder, wie die Achenseebahn leidvoll erleben musste!
Offensichtlich wurden in den letzten MIP-Perioden für die Gleichenbergerbahn
keinerlei Fördermittel beantragt, weil sonst ja die laufende Instandhaltung
der Bahn, besonders nach Hochwässern, möglich gewesen wäre, was bekanntlich
nicht der Fall war!
Das Wegreißen der Bahn kostet die
Gemeinden 16 Millionen Euro
Auch
für das Wegreißen bzw. Zerstören der Bahn gibt es keine Bundesgelder. Für die
pure mutwillige Vernichtung von Volksvermögen zahlt der Bund natürlich nichts.
Wie alle Erfahrungen bei den Zerstörungen von Eisenbahnen gezeigt haben, ist
mit einem Wert von 75% der Kosten des Neubaus zu rechnen. Das entspricht für
die Vernichtung der 21,21 Kilometer Gleichenbergerbahn ein Kostenrahmen von
rund 16 Millionen Euro oder einen Anteil von über 5 Millionen jeweils für die
drei Gemeinden Bad Gleichenberg, Feldbach und Gnas! Für den Streit der
Gemeinden um den jeweiligen Kilometeranteil kann man nur viel Glück wünschen!
Es ist wohl klar, dass im Zerstörungsfall der Rechnungshof informiert werden wird,
weil für die sinnlos ausgegebenen 16 Millionen könnte die gesamte Strecke auf
den modernsten Stand gebracht werden.
Ein Sonderzug signalisiert die
Solidarität der Bürger zu ihrer Gleichenbergerbahn
Am 29. August
2021 fand eine sensationelle Sonderfahrt zwischen Bad Gleichenberg und Feldbach
bzw. am Nachmittag retour statt. Von den über 500 angemeldeten interessierten
Symphatisanten konnten in den beiden Triebwagen und einem Mittelwaggon nur 240
Fahrgäste mitfahren. Man sprach davon, dass es einen weiteren solchen
Sonderzug geben soll. Dieser Sonderzug, überparteilich von FPÖ, SPÖ und Die Grünen, organisiert, war vermutlich
das eigentliche 90-Jahr-Jubiläum der „Lokalbahn Feldbahn-Bad Gleichenberg.
Ein Bilderbogen in www.in-motion.me wird
diese Veranstaltung würdigen!
RICHARD FUCHS
11. September
2021